Nouris Tagebuch

Im Mai 2017 (siehe "Meine Pferde") ist der kleine Nouri eingezogen und wirbelt nun alles ordentlich durcheinander. Daher kam mir die Idee, einige Wegpunkte festzuhalten - für mich und für diejenigen, die sich vielleicht auch gerade einen "Youngster" angeschafft und ähnliche Erlebnisse haben. Also, viel Spaß beim Lesen! 

Ankunft

Nach langer, aber relativ stressfreier Fahrt kommt Nouri gemeinsam mit mir bei der Jungpferdekoppel in der Lüneburger Heide an. Erschöpft stürzt er sich auf die Willkommensportion Heu und seinen neuen Freund, der ihn, bis zur endgültigen Eingliederung in die "Jungsgruppe", begleitet. Diese klappt absolut problemlos: Nouri findet schnell Anschluss und gewöhnt sich ebenso schnell an das neue Leben in der altersgemischten Herde. Die erste Zeit besuche ihn in nur zum Kuscheln und schaue, wie es ihm geht und ob er sich weiterhin so gut einlebt. 


Es geht los...

Nach der Eingewöhnung startet so langsam der "Ernst des Lebens": Zum Beispiel Hufegeben. Das kennt Nouri zwar eigentlich, aber eben nicht mit mir. Ich übe zunächst erstmal die Vorderhufe und das Berühren der Hinterhufe. Führen klappt dagegen von Anfang an problemlos - ich kann ihn überall auf der Wiese hinführen, und er weicht sogar schon brav zurück und seitwärts. Ohne Strick interessiert es sich allerdings deutlich mehr für seine Kumpels als für mich - na klar, wir kennen uns ja auch noch kaum! Ich starte also mit einerr abgespeckten Baby-Version von Join Up...


erste Schritte

Fast 9 Wochen ist Nouri nun schon bei mir. Mittlerweile klappt das Hufegeben vorne sicher und hinten immer besser. Das "Mini-Join Up" hat Wirkung gezeigt: Nouri folgt mir jetzt auf abgegrenztem Raum ohne Strick über die Wiese, auch von den anderen weg. Wir haben bereits zweimal einen (sehr kurzen) Ausflug von der Wiese gemacht und Nouri hat mit großen Augen die weite Welt um sich herum in Augenschein genommen. Er bleibt dabei jedoch ganz ruhig und schaut sich alles interessiert an. Heute haben wir zum ersten Mal Teer erkundet - das war spannend! Ob man da auch laufen kann? Seine langen Beine muss er allerdings noch etwas einschätzen lernen - jede Baumwurzel wirkt wie ein Riesenhindernis.... Ansonsten scheint er irgendwie von Tag zu Tag zu wachsen.


Wie viel soll/darf ein Jährling können?

Irgendwann ist man immer wieder an dem Punkt, wo man sich die Frage stellt: Mache ich alles richtig? Über- oder unterfordere ich mein Pferd? Mir geht es zumindest gerade so: Ich kann Nouri überall hinführen, er kommt mir (zumindest meist ;o)) freundlich ein kleines Stückchen auf der Wiese entgegen, lässt sich alle vier Hufe brav auskratzen, bleibt beim Putzen stehen, lässt sich durch leichte Berührung verschieben, geht mit mir den Weg neben der Wiese auf und ab... Also ein richtiger Musterjährling. Und trotzdem zweifele ich - ist das vielleicht zu wenig? Sollte er nicht schon viel mehr können? Gerade klemmt es beim Antraben am Führstrick - ich will, das Pferdchen nicht. Er lässt sich nicht beirren und kommt, trotz Schnalzen, Locken und Treiben, im gemächlichen Schritt hinter mir her. Das war schon mal besser, aber sollte ich mich jetzt durchsetzen (nach dem Motto: "Was Hänschen nicht lernt...") oder einen Schritt zurück gehen? Vor lauter Verzweiflung habe ich heute mal im Netz gegoogelt, was andere so mit ihren Jährlingen machen, und war schnell wieder ganz entspannt. Erstens: Nouri ist großartig! Andere Jährlinge steigen, beißen, reißen sich los oder lassen sich nicht von der Herde wegführen. Hut ab, kleiner Nouri! Zweitens: Die fast einhellige Meinung war, einen Jährling weitestgehend unbeschwert aufwachsen zu lassen. Was muss er denn schon können? Hufe auskratzen lassen, stehen bleiben, sich führen lassen, sich überall anfassen lassen. Alles andere verunsichert und überfordert ein Pferdekind und im schlimmsten Fall hat man ein verängstigtes Jungpferd, das dicht macht und mit dem Menschen nichts mehr zu tun haben will. Ich werde also ab jetzt wieder einen Gang zurück schalten, die Zeit des Aufwachsens intensiv genießen und mit Putzen, Führen und Kuscheln verbringen - also alles, was positiv ist und Vertrauen gibt. Denn auf unserer guten Beziehung möchte ich schließlich später aufbauen! 


Operation KreBs: einen zurück, zwei vor

Nachdem ich nun einige Wochen wirklich Pause gemacht und Nouri nur zum Kuscheln und Putzen besucht hatte, klappte heute auf einmal alles: Nouri hat Angst vor Wasserpfützen und vor dem Stromzaun, beides hat er heute tapfer mit mir gemeistert und sich danach an mich gekuschelt (nach dem Motto:" Mach das weg, Mama...!"). Als wir auf dem Weg ein kleines Stück spazieren waren, dachte ich mir: Jetzt oder nie - und siehe da, Nouri ist ganz entspannt angetrabt und an meiner Seite mitgetrabt. Ich übe nach wie vor viel an der Halfterführigkeit und das Verschieben seitwärts und rückwärts. Diese Woche kommt die Hufpflegerin, ich bin gespannt, wie er sich da benimmt. Mein Fazit für die Arbeit mit einem Jungpferd heute: Öfter mal einen Schritt zurück gehen, dann geht es um so schneller weiter!


Besuch beim Hufschmied

Nouri hat mit mir seinen ersten Hufpflegetermin in Hamburg überstanden! Er war unglaublich brav, und das viele Üben von Stillstehen und Hufe geben hat sich absolut ausgezahlt. Sogar hinten lief alles glatt! Nun ist er durch den Huf-TÜV und wieder einen Schritt weiter Richtung Erwachsenwerden gestiefelt.

Tipp: Eine andere Einstellerin hat das Hufegeben bei Ihrem Jungpferd mit Leckerli bestärkt. Das hat auch zuerst wunderbar geklappt, bis der junge Hengst immer distanzloser wurde und sie auf Leckerli verzichtet hat. Hier bestätigt sich, was ich über Leckerli in "Vertikal I" gelesen habe: Gerade bei (jungen) Hengsten sollte man absolut darauf verzichten, um den Knibbel- und Beißtrieb nicht noch zu verstärken. Eine freundliche, zugewandte Beschäftigung mit dem Pferd reicht völlig aus, um es auch ganz ohne Leckerli für sich zu gewinnen!


Kleiner Mann ganz groß!

Das kann doch nicht wahr sein - Nouri ist schon wieder gewachsen - so langsam wird aus dem Baby wirklich ein jugendliches Jungpferd! Und schon wieder fällt es ihm schwer, seine Beine zu sortieren. Kein Wunder, wenn die jeden Tag länger werden! Ich werde also in Zukunft mehr mit ihm spazieren gehen und Übergänge zwischen Schritt und Trab üben, um sein Körpergefühl zu verbessern. Am Sonntag waren wir zum ersten Mal eine richtige Runde mit meiner Freundin Nadine unterwegs, und da wegen des Sturmes ein Baum quer über dem Weg lag, musste Nouri auch gleich seine "Geländegängigkeit" beweisen. Eine gute Übung, die ich sicher wiederholen werde! Ansonsten ist er nach wie vor am Führstrick sehr brav und folgt auch von der Herde weg. So hoffe ich, dass wir in Zukunft viele schöne, entspannte Spaziergänge zusammen machen können, auch wenn das Wetter demnächst sicher immer weniger dazu einladen wird... 


Vom Leben mit einem Araber

Ich habe immer wieder gehört, dass Araber ganz besondere Pferde seien: menschenbezogen, robust und eben etwas "spinnig", halt typisch Araber. Zum Thema Araber und Dressurreiten reichen die Aussagen von "nur das" bis hin zu "geht gar nicht". Nun habe ich Nouri bereits ein Dreivierteljahr und kann bestätigen (auch im Vergleich zu Nobody): Ja. Er ist anders.

Je mehr ich mich mit ihm beschäftige, umso spannender und hilfreicher finde ich es, die Berichte anderer Araberbesitzer zu lesen: Welche Schwierigkeiten gab es in der Ausbildung, was sind die wirklich typischen Eigenschaften dieser "Trinker der Lüfte"? Vieles davon erkenne ich wieder, und ich muss sagen, das Leben mit einem Araber hat absolut seinen Reiz. Auch Nobody hat natürlich einen Begriff davon, wer ich bin und erkennt (so hoffe ich zumindest ;o)) mich unter anderen Menschen wieder, weil eine gewisse Bindung besteht. Mit Nouri habe ich allerdings zum ersten Mal die Erfahrung gemacht, regelrecht "eingeatmet" zu werden. Nachdem er zu mir gezogen war, suchte er immer wieder intensiven Körperkontakt und drückte seine Nase auffallend lang an meine Jacke oder meine Haare. Diese Beobachtung beschreiben auch viele andere Araberbesitzer, die Suche nach Körperkontakt und Nähe scheint also "typisch Araber" zu sein - immerhin durften die Pferde der Legende nach häufig mit den Beduinen im Zelt schlafen, und dabei wurde der Hals auch schon mal zum Kopfkissen. Daraus ergibt sich natürlich oft eine engere Bindung an die Bezugsperson als bei anderen Rassen. Oder, wie eine Araberbesitzerin schrieb, man bekommt "viel mehr als nur ein Pferd: einen Partner, ein Kind und einen Hund."

Noch mehr als bei anderen Rassen scheint beim Araber auch die Erziehung eine Rolle zu spielen. Man braucht viel Konsequenz und vor allem Ruhe, wird dafür aber, und auch das merke ich an Nouri, mit einem unglaublich höflichen und respektvollen Pferd belohnt, bei dem schon ein einfaches "nein" oder ein "ja, ich meine es WIRKLICH so" oft ausreicht. Dann ist auch von der viel kritisierten "Spinnigkeit" nichts zu spüren, Nouri erweist sich ganz im Gegenteil bei unseren Spaziergängen als extrem ruhig, überlegt und gelassen.  Das Vorurteil des "überdrehten Spinners" trifft aber sicher schnell zu, sobald diese Tiere grob, ungeduldig oder hektisch behandelt werden. Das nehmen einem Araber nämlich offensichtlich noch viel eher übel als andere Pferde. 


Wahre Freundschaft

Vor genau einem Jahr haben sich Nouri und sein Kumpel Henry auf der Jungpferdewiese kennengelernt. Jetzt sind beide deutlich erwachsener, aber immer noch beste Freunde...


Es geht weiter...

Wahnsinn, wie schnell der kleine Mann weiter wächst! Mit der Größe wachsen auch die Aufgaben: Wir haben bereits ein Cavaletti gestürmt (wobei gestürmt sehr beschönigt ist, Nouri ist mit seinen Storchenbeinen mehrmals hinübergestakst) und ich habe ihn parallel eingeparkt und bin auf das Cavaletti gestiegen, um den Rücken zu kraulen. Nach einem kurzen, misstrauischen Blick war alles gut. Beim Spazierengehen sind wir auch mittlerweile im "Kindergarten" angekommen: Nouri geht bereits am Strick entspannt eine Runde um mich herum, und er passt sich im Schritt und Trab meinem Tempo an. Zwischenzeitlich hatten wir das Problem, dass der junge Mann meinte, sich jede Blume am Wegesrand anschauen zu müssen - die lange Bodenarbeitsgerte kommt seitdem wieder auf die Spaziergänge mit. Auch das Kommen auf der Wiese klappt nach wie vor recht gut, manchmal braucht es zwar noch eine Extraeinladung, dafür folgt er mir dann frei über die Wiese zurück zum Tor. Unsere letzte Übung war das Senken des Kopfes: Ich wollte Nouri gerne so früh wie möglich beibringen, auf leichten Druck im Genick (mit zwei Fingern!) den Kopf zu senken. Beim ersten Mal hat es etwas gedauert, der Trick war, genau im richtigen Moment den Druck wieder wegzunehmen. Nachdem Nouri das 1-2 Mal ausprobiert hatte, muss ich nun nur noch die Finger hinter die Ohren legen und der Kopf sinkt nach unten. Er ist einfach unglaublich fein und ich bin sehr glücklich, dass er mir viele Dinge so leicht macht. Hoffentlich geht es genauso weiter! Die nächsten, im wahrsten Wortsinn einschneidenden Schritte werden die Kastration und der Umzug zu Nobody und mir nach Hamburg sein, ich kann es gar nicht erwarten, meine beiden "Jungs" endlich zusammen zu haben! 


Umzug geschafft!

Es ist geschafft: Endlich habe ich meine beiden Pferde zusammen an einem Ort! Nach 1 1/4 Jahr in der Jungpferdeherde ist mein kleiner Nouri nun zu mir und Nobody nach Leversen gezogen, und die beiden haben sich sofort prächtig verstanden. Leider hatte Nouri zuvor durch eine Infektion stark abgebaut, so dass in den ersten Wochen intensive Pflege und Wiederaufpäppeln angesagt waren, aber so ein Wüstenwind lässt sich nicht unterkriegen - ziemlich schnell war alles wieder im grünen Bereich. Und da wir nun schon mal einen Roundpen zur Verfügung haben, wurde Nouri auch direkt aus dem Kindergarten in die Vorschule versetzt und erlernt nun Schritt für Schritt die Grundlagen der Bodenarbeit. Ich habe ihn zunächst frei im Roundpen gearbeitet und das Treiben und Anhalten über Körpersprache geübt. Sehr geholfen hat mir dabei die Lektüre "Mit Pferden tanzen" von K. F. Hempfling. Vieles daraus konnte ich direkt umsetzen, und es ist unglaublich, wie schnell und fein so ein junges Pferd auf die kleinsten Veränderungen von Körperhaltung und - spannung reagiert! Der freie Gangartenwechsel klappt schon im Schritt und Trab, wir arbeiten auch am Angaloppieren (und, wer hätte es gedacht, Nouri ist links hohl und hat daher Probleme, rechts im Handgalopp anzuspringen). Mittlerweile nutzen wir zusätzlich auch das lange Bodenarbeitsseil und üben das "Jojo Game" und "Circling Game" aus dem PNH. Nouri lässt sich schon brav zurückschicken und wartet ab, bis ich ihn wieder zu mir einlade. Auch das Herumschicken im Kreis klappt schon ganz gut, allerdings nicht zu lange, denn die Gelenke sollen ja auch noch die nächsten dreißig Jahre halten... Daneben stehen natürlich weiterhin gemeinsame Spaziergänge auf dem Plan (was gerade ganz gut passt, da Nobody wegen eines leichten Reheschubes ebenfalls Schonfrist hat), und bald werde ich auch das Thema "Reiten mit Handpferd" angehen. Momentan genießen meine Beiden jedoch hauptsächlich die Freiheit ihrer Wiese und ich die gemeinsame Zeit mit meiner kleinen "Pferdeherde".


Kastration überstanden

Nachdem sich Nouri weiterhin gut eingelebt und auch seine ersten Schritte als Handpferd gut gemeistert hatte, stand nun die nächste Veränderung ins Haus: Anfang Oktober wurde Nouri kastriert. Leider hatte mein kleiner Wüstenwind wieder etwas Pech und kam nicht so einfach wie geplant durch den Eingriff. Eine Seite war leicht entzündet, dadurch ging es Nouri kurzfristig nicht so gut und er hatte wenig Hunger. So konnte man leider täglich sehen, wie er Kilo um Kilo abnahm. Zum Glück ist das jetzt überstanden, Nouri frisst wieder mit Appetit und legt hoffentlich die verlorenen Kilos schnell wieder zu. Aber: Eine Kastration ist wohl doch nicht so leicht wegzustecken, wie ich zuerst gehofft hatte! Ich freue mich aber trotzdem, dass er nun alles hinter sich hat und bald auch wieder ein richtiges Herde-Pferde-Leben führen kann! 


Nouri wird erwachsen(er)

Nach dem Verheilen der Kastrationswunde konnte Nouri im November nun endlich zu den anderen in die Herde! Was mich sehr gefreut hat zu sehen: Nobody nimmt seinen Job als "kleiner Onkel" wirklich sehr ernst und hat Nouri, besonders die ersten Tage, nicht aus den Augen gelassen. Er hat bestimmt, wo und mit wem Nouri frisst, mit wem er spielt und so weiter. Und notgedrungen (was tut man nicht alles für die Jugend...) muss er jetzt öfters beim Jungvolk mitspielen, wenn er weiterhin auf seinen kleinen Wüstenwind aufpassen möchte. Der Nebeneffekt dadurch war, dass Nobody zusehends selbstbewusster geworden ist! Der kleine Nouri tut ihm wirklich gut, und es ist deutlich zu merken, ob wir alleine oder mit "Baby an Bord" ausreiten - Nobody bewegt sich dann plötzlich, als wäre er wieder 5... Dadurch, dass unsere Herde so altersgemischt ist, hat Nouri schnell Anschluss gefunden und tobt tagein, tagaus mit den anderen, nachts steht er dafür mit Nobody im Offenstall. Interessant ist auch zu beobachten, wie die älteren Pferde teilweise schlichtend oder beruhigend eingreifen, wenn das ganze Gerangel der Youngsters zu aufdringlich wird. Ich arbeite weiterhin mit Nouri im Roundpen, er lässt sich mittlerweile recht leicht am Bodenarbeitsseil "circlen" und auch die ersten Anfängerschritte Schulterherein am Bodenarbeitshalfter haben wir schon ausprobiert. Im Freilauf kann ich immer besser Richtung und Gangart bestimmen, auch wenn der kleine Mann dabei manchmal in den Arabermodus wechselt und dann nur noch Mähne, Hals und Beinchen fliegen... Neulich habe ich das erste Mal ein Cavalletti aufgestellt, und Nouri ist, in Begleitung von Nobody, das erste Mal "gesprungen". Auch die Ausflüge als Handpferd, immer an Nobodys Seite, machen ihm sichtlich Spaß, und wir sind neulich sogar ein Stückchen gemeinsam galoppiert. Er legt weiterhin gut zu, ist mittlerweile 1,44 m groß und wird immer mehr zum kleinen Pferdchen. Auch sein Ausdruck wird immer erwachsener. Ich bin gespannt, wie er sich im nächsten Jahr weiter entwickelt und freue mich jetzt schon auf die Kappzaumarbeit im nächsten Sommer...


"Meinst du das wirklich Ernst?"

Nun ist es auch bei uns endgültig so weit: Nouri wird erwachsen, selbstbewusster, stärker und damit stellt sich für ihn immer öfter die Frage: "Meinst du das wirklich ernst?" Ein ganz normales Verhalten, welches in der Pferdeherde das Überleben sichert. Denn warum sollte ich mich als junges Pferd jemandem anschließen, der sich nicht sicher ist? Das Leittier wird dementsprechend auf "Herz und Nieren" geprüft, und nur, wenn diese Prüfung zufriedenstellend verlaufen ist, kann man diesem Tier dann auch sein Leben anvertrauen. Da Nouri nun einmal nicht wild in einer Pferdeherde, sondern mit Menschen aufwächst, muss auch ich jetzt diese Prüfung über mich ergehen lassen - Hurra... Dabei fängt es so klein und harmlos an: Ein schneller Blick, bevor gedrängelt wird. Ein kurzes Diskutieren beim Aufhalftern oder beim Hufegeben. Das Wegdrehen beim Reinholen, wo er vorher immer freudig auf mich zugekommen ist. Der kleine Schritt, obwohl man eigentlich schon gesagt hatte: "Bleibe bitte stehen." Und all diese Kleinigkeiten kommen nicht einmal, sondern immer wieder (ich glaube, jede Mutter eines dreijährigen Kindes kann genau verstehen, wovon ich rede ;o) ). Wie wichtig ist es da, selbst immer wieder genau so "kleinlich" zu reagieren. Ruhig, aber konsequent und bestimmt. Im Notfall tausendmal. Auch wenn der Geduldsfaden strapaziert wird, auch wenn es so leicht ist, diese Kleinigkeiten zu übersehen oder zu übergehen und damit zu akzeptieren. Aber ich weiß aus Erfahrung: Genau darauf kommt es kann! Kleinigkeiten sind leicht und schnell zu beheben, aber wenn das Pferd in dieser Phase keine Sicherheit erfährt, wird es schnell gefährlich. Dann wird aus dem "niedlichen" Anstupsen plötzlich ein gar nicht mehr so niedliches Umrennen, aus dem kleinen Zucken beim Hufegeben plötzlich ein schmerzhafter Tritt und aus dem Wegdrehen beim Reinholen ein stundenlanges Fangenspiel. Ich nehme also die Herausforderung gerne an: Ja, ich meine es ernst mit dir! Und ganz nebenbei, unglaublich niedlich ist es auch. Wenn da der kleine Wüstenwind durch den Auslauf tobt, auf mich zugaloppiert und dann direkt vor mir eine Vollbremsung macht, nur um zu schauen, ob ich zur Seite trete - ich freue mich darüber, denn es zeigt mir, dass ich ein selbstbewusstes, fröhliches Pferd habe, das gesund heranwächst. 


Hurra, ich bin ein Schulkind...

Wie bei den Kindern ist es auch bei den Pferden ganz plötzlich soweit: Aus den vermeintlichen "Babys" sind Schulkinder geworden. So auch bei meinem kleinen Nouri - vor einigen Wochen fehlte auf einmal ein Schneidezahn! Auch insgesamt zeigt Nouri, dass er so langsam bereit ist, ernsthaft etwas zu lernen. Daher haben wir mit den ersten Schritten der Ausbildung angefangen. Ich habe Nouri jetzt bereits mehrmals einige Minuten am Kappzaum longiert, und auch die Arbeit an der langen Seite (vorwärts - stopp - rückwärts - stopp - vorwärts...) sowie das Mobilisieren der Hinterhand stehen mittlerweile auf dem Programm. Gestern dann der nächste Meilenstein: Nouri hat zum ersten mal einen Sattel getragen! Immer wieder hatte ich den Sattel ganz nebenbei bereits auf seinen Rücken gelegt, und gestern habe ich nun das erste Mal (ganz vorsichtig!!!) angegurtet und bin so eine kleine Runde mit ihm spazieren gegangen. Zum Glück hat er sich nicht erschrocken, sondern blieb ganz ruhig und hat sich sogar getraut, mit dem fremden Ding auf seinem Rücken anzutraben. Bei allem, was ich gerade mache, zeigt sich, wie unausbalanciert Nouri natürlich ist. Er muss ja erst lernen, Bewegungen langsam, koordiniert und auf den Punkt auszuführen, und auch erst die entsprechende Muskulatur dafür entwickeln. Besonders die exakte, runde Kreislinie an der Longe (und dann auch noch im möglichst taktreinen Trab...) ist für ihn sehr schwer. Völlig unvorstellbar ist der Gedanke für mich, sich auf so ein junges Pferd ohne große Vorbereitung einfach zu setzen und "losreiten" zu wollen. Ich erlebe jetzt das erste Mal konkret in der Praxis, wie viel Sinn die langfristige Ausbildung des rohen Pferdes an der Hand macht. Nur so können langfristig durch die Entwicklung der korrekten Muskulatur körperliche Schäden vermieden werden, und für den Reiter ist es natürlich ungemein viel sicherer, sich auf ein bereits relativ ausbalanciertes Pferd zu setzen. Ich warte also gerne noch ein Jahr und werde Nouri in dieser Zeit gründlich und schonend vom Boden aus auf sein Leben als Reitpferd vorbereiten.


Balance, Balance...

Mittlerweile ist es April geworden, und Nouri wird nun schon seit etwa 3 Monaten immer wieder für 15-20 Minuten an der Hand bewegt, allerdings nach dem Wahlspruch: "Koordination vor Kraft". Es geht mir also nicht um reines Krafttraining, sondern um die stetige Verbesserung seiner Koordination unter minimaler körperlicher Anstrengung. Langsam zeigt sich, dass Nouri immer geschickter wird, er kann sich zum Beispiel bei der Mobilisierung der Hinterhand schon viel besser koordinieren und macht kleinere, dafür aber gleichmäßigere Schritte. Auch die Seitwärtsverschiebung (wir üben bisher nur das Schulterherein) macht ihm schon deutlich weniger Schwierigkeiten als noch im Januar. Um seinen Takt zu fördern, habe ich ihn bereits über Trabcavalletti longiert, was er wie ein Großer gemeistert hat - schließlich entwickelt auch die klassische Reiterei alles auf der Grundlage eines sicheren Taktes. Nebenbei musste er auch immer wieder den Sattel spazierentragen... Intensiviert habe ich ebenfalls die Arbeit am Kappzaum an der langen Seite, wobei es mir da besonders auf kleine, gleichmäßige Schritte beim Rückwärtstreten sowie ein promptes Antreten ins Vorwärts ankam. Um seine Balance zu schulen, habe ich im Halt immer wieder seine Vertikalen ausgerichtet: Es gibt Touchierpunkte an der Kruppe und am Widerrist, die impulsartig angetippt werden. Daraufhin beginnt das Pferd automatisch, sein Gleichgewicht unter diesen Punkten zu suchen. Mittlerweile muss ich oft nur noch die Gerte über den entsprechenden Touchierpunkt halten, und Nouri beginnt bereits, seine Balance bzw. die Vertikale zu suchen. Bald hat er Geburtstag, und er bekommt (pssst, nicht verraten...) seine eigene Trense. So kann ich dann im Sommer auch mit der klassischen Arbeit an der Hand starten. 


Gewöhnung an das Gebiss

Wie versprochen gab es pünktlich zum dritten Geburtstag eine eigene Trense! Und da diese natürlich gleich aus- und anprobiert werden musste, hatte der kleine Wüstenwind auch zum ersten Mal ein Gebiss im Maul - die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Aber nachdem er gemerkt hatte, dass man auch mit Gebiss atmen kann, hat er sich schnell entspannt. Beim nächsten Mal hat Nouri dann eine andere Taktik verfolgt und versucht, das Gebiss zwischen die Backenzähne zu bekommen, um darauf zu beißen und war etwas genervt, dass es nicht so einfach war, wie er es sich vorgestellt hatte ;o)…  In der nächsten Zeit steht also die Gewöhnung an das Gebiss an. Ich werde mit Nouri ab jetzt samt Gebiss spazieren gehen und das Gebiss bei der Bodenarbeit im Kappzaum verschnallen, so dass es ihn immer wieder begleitet und er sich hoffentlich schnell mit dem fremden Gegenstand im Mund anfreundet. Immerhin hat er nun schon verstanden, auf leichten Zügelkontakt hin anzuhalten und rückwärts zu weichen, auch das Schenkelweichen mit leichter Stellung am Zügel haben wir das erste Mal ausprobiert. Bei allem hat sich die lange Vorarbeit bezahlt gemacht, denn so kann ich auf Körpersprache und Stimmkommandos zurückgreifen und ihm das Lernen deutlich erleichtern. Aber Vorsicht - Nouri ist 3 und damit noch ein kleines Kind: Ich werde mich also immer wieder zurückhalten und bremsen müssen, um ihn nicht zu überfordern und seine Strukturen nicht zu überlasten! 


Unsere arbeit an der Hand - ein Sommercrashkurs

Sommerzeit - Ferienzeit! Auch für mich eine der schönsten Zeiten des Jahres und vor allem die Zeit, um (fast) ganz ohne andere Termine oder Zeitdruck den halben Tag mit den Pferden zu verbringen. Endlich hatte ich genügend Zeit, beide Pferde der Reihe nach zu bewegen und mich so (wenn Nobody sein Seniorenwellnessprogramm absolviert hatte) intensiv mit Nouri zu beschäftigen. Die gemeinsame Zeit haben wir natürlich vor allem für die Arbeit an der Hand genutzt, die mit ihm wirklich sehr viel Spaß macht. Nouri ist weiterhin ganz fein und will immer mit "Samthandschuhen" angefasst werden. Er braucht auch deutlich mehr Raum (oder, wie ich sage, "Luft zum Atmen") als Nobody und fühlt sich ansonsten schnell bedrängt und eingeengt - typisch Araber. Gibt man ihm diesen Raum jedoch, ist er absolut motiviert und versucht, immer alles richtig zu machen, auch wenn dabei immer wieder angestrengt geprustet wird ;o)… Hier sind unsere Übungen für die/aus den Sommerferien:

 

1) Korrektes Durchschreiten der Ecken:

Das ist unter anderem eins der Dinge, die ich aus Waal und "Vertikal I" mitgenommen habe und unbedingt umsetzen wollte. Nach der Mobilisierung der Hinterhand (die bei uns weiterhin am Anfang jeder Einheit steht) geht es im nächsten Schritt darum, diese auch für die Ecken der Reitbahn zu nutzen. Schaut man sich einmal die typischen Hufspuren in einer Reitbahn an, kommt man schnell zu dem Schluss: Mit "Ecke" hat das oft nicht wirklich viel zu tun. In der klassischen Reitlehre werden aber die Ecken gezielt für die Gymnastizierung genutzt. Besonders bei Jungpferden bietet es sich an, dafür zu Zweit zu arbeiten, wer aber, wie ich, alleine arbeitet, kann genauso auf das korrekte Durchschreiten der Ecken achten. Im Prinzip baut diese Übung, wie gesagt, auf dem Mobilisieren auf. Ich lasse das Pferd soweit wie möglich gerade in die Ecke treten, dann "erlaube" ich der Vorhand, auf die neue Gerade abzuwenden. Gleichzeitig mobilisiere ich die Hinterhand so, dass sie seitwärts übertretend der Linie folgt, bis das Pferd wieder ganz gerade gestellt ist. Hat man Hilfe, kann sich eine zweite Person als Pilar aufstellen und so die Ecke noch deutlicher begrenzen. Zur Not tut es auch ein Pylon ;o). Das geht natürlich am Anfang nur Schritt für Schritt und wird dann immer flüssiger, bis man auch im Trab (und zuletzt im Galopp) eine Ecke sicher durchreiten kann. 

 

2) Schritt - zurück - antraben

Diese Übung entwickelte sich schnell zu Nouris Lieblingsübung - klar, der Raketenstart aus dem Rückwärts ist natürlich genau das Richtige für meinen kleinen Wüstenwind. Daher habe ich sehr schnell einen Gang zurückgeschaltet, denn ich möchte die Hinterhand nicht überlasten. Außerdem soll Nouri ja lernen, dass es durchaus auch mal "einfach so" zurückgeht. Also habe ich die Übung in ihre Einzelteile zerlegt und trabe gerade entweder an oder richte ihn zurück. Wenn beides wieder sicher und entspannt klappt, können wir wieder unseren Turbostart einstellen... 

 

3) Haltung, bitte!

Nebenbei (und das ist wirklich nebenbei!) entwickelt Nouri durch die gemeinsame Arbeit eine ganz andere Haltung. Er richtet sich in der Schulter auf, und immer wieder aktiviere ich, auch im Schritt, die Hinterhand. Beim Antraben ist es mir ebenfalls wichtig, dass er mit aktiver Hinterhand antrabt und dadurch die Schulter anhebt - eine große Hilfe dafür war Übung 2! Auch soll er immer mehr lernen, sich im Trab meinem Tempo anzupassen und sich dadurch vermehrt zu versammeln, was im Idealfall von selbst geschieht, wenn er sich zurücknimmt. So möchte ich seine Muskulatur weiter trainieren und ihn schon vorbereiten für seine Aufgaben als Reitpferd.  Auch im Stand und beim Antreten achte ich immer mehr auf seine Körperspannung und die daraus entstehende Haltung. Aber nicht nur körperlich, auch mental hat sich seine "Haltung" in den letzten Wochen verändert: Er wirkt erwachsener und größer, so dass eine andere Einstellerin in kaum wiedererkannte, als sie aus dem Urlaub zurückkam. 

 

Einen kleinen Einblick in unser Sommercamp geben die Fotos unten, die, dankenswerterweise, wieder meine liebe Nadine von uns gemacht hat!


Der große Augenblick...

Den Tag heute (07.09.19) werde ich mir wohl rot in meinem Kalender markieren müssen, denn ich saß zum ersten Mal im Sattel meines kleinen Pferdchens! Oft schon hatte ich mich ohne Sattel auf seinen Rücken gesetzt und mich dabei auch schon ein paar Schritte führen lassen - immer begleitet von einigem Herzklopfen, denn in einer ganz ähnlichen Situation bin ich, vor nicht allzu langer Zeit, von einem Berittpony gestürzt. Heute habe ich Nouri mal wieder mit Sattel longiert und anschließend an der Hand gearbeitet und danach kurzentschlossen bestimmt: Ich will da rauf! Also habe ich mir schnell Hilfe geholt (zum Führen) und mich auf meinen kleinen Wüstenwind gesetzt. Auch heute sind wir wieder ein paar Schritte gegangen, und obwohl er sehr misstrauisch war, hat alles gut geklappt und ich bin wohlbehalten wieder abgestiegen.

 

Folgende Dinge haben sich für mich bei den ersten Aufsteigesituationen als hilfreich herausgestellt:

 

- immer mit einem Helfer arbeiten, der das Pferd führt und im Notfall eingreifen kann!

- zuerst ohne Sattel aufsteigen, da man schneller wieder vom Pferd heruntergleiten kann, wenn die Situation kritisch wird

- Auch mit Sattel zunächst ohne Steigbügel arbeiten: Erstens kann man nicht hängenbleiben, zweitens (und das ist entscheidend) wird man in Stresssituationen automatisch im Bügel bleiben und zwangsläufig eine Seite stärker belasten. In Kombination mit dem bei einem rohen Pferd meist noch nicht allzu fest verschnallten Sattelgurt keine gute Kombination...

-  gut vorbereiten und dem Pferd immer genügend Zeit lassen, die Situation zu überdenken und zu bewerten

 

Ich hoffe, bald ein Beweisfoto unserer ersten Schritte liefern zu können. Allzu viel möchte ich ihn aber noch nicht mit Sattel reiten, denn vorher steht noch der aus meiner Sicht völlig selbstverständliche Gesundheits- und Sattelcheck an. Erst wenn Nouri auch aus osteopathischer Sicht ein gesundes Reitpferd mit passendem Sattel ist, geht es los!


Die ersten Gehversuche unter dem Sattel

Mittlerweile ist es Winter geworden, und immer wieder macht mir das Wetter bei unserer Arbeit einen Strich durch die Rechnung. Trotzdem möchte ich einmal kurz den neusten Stand festhalten:

Mittlerweile reite ich Nouri regelmäßig 2-3 Mal in der Woche für 10-15 Minuten im Schritt. Das Herzklopfen ist (zum Glück) verschwunden, Nouri macht sich toll, ist hochkonzentriert und mittlerweile schon deutlich ausbalancierter. Wir arbeiten auch vom Sattel aus viel auf der ganzen Bahn, Schulterherein und Konterschulterherein sowie Anhalten und Rückwärts sind kein Problem mehr. Auch den Zirkel und die Volte erobern wir uns Stück für Stück, und langsam wird der Satz meiner früheren Reitlehrerin Brigitte Tönsfeuerborn Wirklichkeit: "Willkommen zu Hause - auf dem Rücken deines Pferdes".  Ich denke, dass ich im Frühjahr meinen ersten kleinen Ausritt wagen kann, denn Nouri ist wirklich ruhig und nicht schnell aus der Ruhe zu bringen, selbst wenn es windet und Moos aus der Dachrinne auf den Boden klatscht. Vor ein paar Tagen habe ich dann sogar die ersten Tritte im Trab gewagt, und alles hat problemlos geklappt. Nouri ließ sich artig antraben und auch sofort wieder durchparieren. Ich bin schon sehr gespannt und freue mich riesig auf die weitere Ausbildung im Frühjahr! 


Mohammeds Streitrösser

 

Es ist passiert – ich bin das erste Mal von Nouri gefallen. Wobei, „gefallen“ ist kein Ausdruck, es fühlte sich eher so an, wie ich mir einen Schleudersitz vorstelle... Der Auslöser war, aus meiner Sicht, absolut harmlos: Nouri ist meiner seitwärtstreibenden Hilfe rückwärts ausgewichen, was ich durch ein leichtes Touchieren hinten korrigieren wollte. Nouri war da allerdings anderer Ansicht und ist in Sekundenschnelle explodiert. Glücklicherweise blieb es bei einer ganz leichten Prellung und einen großen Schrecken. Aber wie konnte es dazu kommen, und wie konnte ich eine Situation bzw. mein Pferd so falsch einschätzen?

 

Ich habe mir die Woche danach viele Gedanken gemacht, und ich habe gelernt, mein Pferd besser zu verstehen. Aus jeder Situation versuche ich immer zu lernen, und gerade, wenn etwas schief geht, kann ich im Nachhinein oft am meisten daraus ziehen. Pferde machen keine Fehler, sie reagieren bloß. In diesem Fall war ich zu wenig bei meinem Pferd und zu sehr mit dem beschäftigt, was ICH wollte. Ich war zu langsam in meiner Reaktion und habe die gestiegene Körperspannung nicht beachtet. Nouri hat mir ganz klar signalisiert, dass er in diesem Moment nicht seitwärts gehen würde, aber ich habe dennoch weiterhin darauf bestanden. Tatsächlich ertappe ich mich oft dabei, dass ich der Ansicht bin, etwas müsse so oder so laufen – eben weil ich es so möchte. Aber, wie ich bereits in meinem Blogartikel zum Thema Lob geschrieben habe, niemand kann davon ausgehen, dass jemand anderes einfach widerstandslos und bedingungslos gehorcht. Warum auch? Und das gilt besonders dann, wenn dieser andere Jemand ein Arabisches Vollblut (und damit Nachfahre einer uralte Kriegspferderasse) ist und nach dem Grundsatz funktioniert: NIEMALS bedrängen! Weder kann man einen Araber ausbinden, noch kann man einen Araber irgendwo einsperren, wo er nicht sein will – man kann diese Pferde schlicht und einfach zu nichts zwingen. Sie werden sich wehren oder krank werden.

 

Ich werde also lernen müssen, mich noch mehr zurückzunehmen. Ich werde mich wieder öfter an die Worte von Richard Hinrichs erinnern müssen, der über meinen Nobody sagte: „Ihr Pony müssen Sie immer bitten und fragen, sonst macht er es nicht!“ Ich werde mir Mühe geben, noch höflicher im Sattel zu sein und kleinste Warnsignale, wie etwa eine erhöhte Muskelspannung, direkt zu beachten und darauf zu reagieren - auch wenn das bedeutet, einmal nicht durchzusetzen, was ich mir vorher vorgenommen hatte.

 

Foto: Nadine Plaumann


Gedanken zum Thema freiheit oder "Wieveiel Freiheit traust du dich"?

 

 

"Ich hätte für immer rennen können", sagte das Pony,

"aber sie trensten mich auf und gaben mir ihre Richtung vor.

Ich glaube, ich hörte sie sagen, dass sie mich lieben,

dass sie sich immer um mich kümmern werden.

Aber was nützt eine eigene Stimme ohne Freiheit,

und was bringt es, die Träume anderer zu leben?"

 

Warum sperren die Menschen bloß diejenigen in einen Käfig ein, die sie am meisten lieben? 

Haben wir vielleicht einfach Angst davor, alleine zu sein?

Wenn du deiner Liebe ihre Freiheit schenkst, 

bleibt sie vielleicht eine Weile bei dir.

Wenn sie dich verlässt, hat sie dir auch vorher schon nicht gehört.

 

aus dem Lied "Wings" von Brian Bedford

 

 

 

Es ist nun bereits viele, viele Jahre her, dass ich die Zeilen dieses Liedes das erste Mal hörte, aber immer wieder habe ich sie im Kopf, wenn ich mit meinen beiden Pferden zusammen bin. Und gerade bei Nouri treffen sie besonders zu, denn, wie ich im Eintrag oben schon schrieb, man kann ein Arabisches Vollblut einfach zu nichts zwingen - du wirst immer verlieren, und sei es das Ansehen in den Augen deines Pferdes. Als ich Nobody bekam, habe ich an einem Kurs bei Birger Gieseke teilgenommen, und auch ihm ging es sehr um das Thema "Freiheit" - Gewalt beginnt für ihn da, wo das Pferd keine Möglichkeit mehr hat, sich zu entscheiden. Leider beobachte ich immer wieder Reiter, die ihre Pferde in allen Bereichen massiv einschränken, sei es durch die Haltung, die Fütterung oder durch nicht angepasstes Training. Da wird zugeschlossen, gezogen, geschoben, verschnürt, verknotet - und warum? Die Grundlage dafür ist fast immer Angst. Angst davor, die Kontrolle zu verlieren. Angst davor, vor den anderen "blöd dazustehen". Angst davor, sich auf echte Kommunikation mit dem Pferd einzulassen und dabei vielleicht den Kürzeren zu ziehen. Wir können unserem Pferd noch so oft erzählen, dass wir es lieben und uns um es kümmern werden - was nützt es ihm, wenn es von uns in so vielerlei Hinsicht eingesperrt wird und unsere Träume leben muss?

 

Meine beiden Pferde genießen also so viel Freiheit wie möglich - ich binde sie nicht oder nur selten an, ich lasse sie, soweit möglich, ohne Strick neben mir hergehen, ich versuche, im Training so gut es geht auf sie einzugehen und nichts über ihren Kopf hinweg zu entscheiden. Besonders bei Nouri bin ich darauf angewiesen, genau zuzuhören: Fühlt er sich unwohl? Hat er verstanden, was er machen soll? Beide Pferde dürfen immer wieder auch "Fragen stellen" oder deutlich zeigen, dass sie mit etwas nicht einverstanden sind - dann ist es meine Aufgabe, möglichst schnell den Grund dafür zu finden und zu beseitigen. Sie dürfen ihren eigenen Charakter entwickeln und ihre Persönlichkeit zeigen, denn nur so kann ich vertrauensvoll mit ihnen arbeiten und weiß, dass sie auch freiwillig und mit dem Herzen bei mir sind. In diesem Sinne: Schenkt euren Pferden Freiheit! Wenn sie euch dann verlassen, haben sie euch auch vorher schon nicht gehört...


Nouri wird langsam ein Reitpferd

Wie schnell die Zeit vergeht!!! Vorgestern ist Nouri fünf Jahre alt geworden, mittlerweile ist es schon vier Jahre her, dass er zu mir in den Norden gezogen ist und fast drei Jahre her, dass er in Leversen wohnt.  Vieles hat sich beim Reiten in der letzten Zeit getan, und daher wird es Zeit für einen neuen Überblick!

 

Nouri ist nun recht sicher in allen drei Gangarten unterwegs, sowohl auf dem Reitplatz als auch im Gelände. Er hat ordentlich Muskulatur aufgebaut, ist wieder ein großes Stück gewachsen und wird immer ausbalancierter. Die große Schwierigkeit war, ihn zur "Reise voran" zu überreden, denn er zog sich am Anfang schnell zurück, wenn er unsicher war, und wurde dann eher langsamer als schneller. Ich brauchte in solchen Momenten immer wieder viel Geduld, habe ihm Zeit zum Nachdenken gelassen und ggf. auch mal eine Übung abgebrochen, wenn er damit überfordert schien. Wir sind immer noch mitten in der Basisarbeit, also dem Geraderichten und Ausbalancieren durch Gymnastizierung in Seitengängen. Dabei achte ich auch vermehrt auf Schwung und Versammlung, wobei ich Nouri sehr viel Raum für seine Kopfposition lasse. Meine momentane Lieblingsübung ist das Seitwärtsweichen im Trab auf dem Zirkel, entweder in Schulterherein oder Traversposition. Unser momentaner "Endgegner" ist das Angaloppieren: Nouri findet zwar schon deutlich schneller und immer sicherer in den Galopp, aber das punktgenaue Anspringen fällt ihm nach wie vor noch schwer. Und sobald er im "Thema" ist, galoppiert er gern auch an einer anderen Stelle als gewünscht an... Aber insgesamt macht er sich wirklich gut. Teilweise steht ihm die Pubertät arg im Wege, und es gibt manchmal Diskussionen über altbekannte Übungen, von denen er plötzlich überzeugt ist, sie noch NIEMALS zuvor gemacht zu haben. Auch im Umgang testet er mich immer wieder aus, da heißt es einfach, ruhig und konsequent zu bleiben. 

 

Beim Ausreiten machen wir ebenfalls große Fortschritte. Die Runden werden größer, wir wagen uns an erste "Kletterpartien" (soweit man in Hamburg von "klettern" sprechen kann) und üben das Traben und Galoppieren im Gelände allein und mit anderen Pferden. Ich achte sehr genau darauf, dass das Tempo immer absolut kontrolliert ist und ich niemals das Gefühl habe, die Kontrolle zu verlieren. Schließlich soll Nouri auch im Gelände ein sicheres Reitpferd und in jeder Situation "händelbar" sein. Diese Vorsicht zahlt sich bisher aus, Nouri ist auch mit anderen Pferden im Gelände sehr entspannt und immer ruhig und aufmerksam.  Einfach ein kleiner Traum in Weiß. 


Na dann: Hals- und Beinbruch!

Nun habe ich schön länger keinen neuen Tagebucheintrag für Nouri geschrieben, denn: Uns hat es so richtig ausgebremst! Ende August, nach einer tollen Einheit auf dem Platz, wollte ich "einfach nur" noch eine entspannte Runde in der Abendsonne ums Feld reiten. Auf dem Bürgersteig kam uns ein Kind auf einem Liegefahrrad entgegen, Nouri erschreckte sich und schlug sich dabei an einem Stein, der hochkant am Bürgersteig stand, das Röhrbein auf. Zurück am Stall wurde schnell klar: Das sieht nicht gut aus. Die Tierärztin schickte uns dann auch gleich weiter in die Tierklinik, wo Nouri noch am Abend (bzw. in der Nacht) operiert und wieder zusammengeflickt werden musste. Die Diagnose: Angebrochenes Röhrbein und einige sehr unschöne Wunden. Also hieß es erst einmal zwei Wochen absolute Boxenruhe in der Tierklinik und dann weiter Einzelhaft im "Appartement mit Balkon" bei uns am Stall. Nouri hat alles soweit tapfer ertragen, alles ist glücklicherweise wieder komplett verheilt, aber mittlerweile ist es Dezember (!) und so richtig auf den Beinen sind wir noch nicht wieder. Die Narben schmerzen, der Knochen gibt auch noch nicht so wirklich Ruhe und aufgrund der langen Pause und der Schonhaltung hat sich die Muskulatur abgebaut und verspannt. Also heißt es noch immer Ruhe, auch wenn Nouri zum Glück mittlerweile schon wieder mit den anderen über den Paddock toben darf. Mehr als kurze Spaziergänge sind leider noch nicht wieder möglich, und danach ist erstmal vorsichtiges Aufbautraining angesagt... Ach schade, aber auch Rückschläge gehören zur Ausbildung mit dazu!